Ich treffe mich mit Tobi Beck beim Artville in der Yes We Can Can Cocktailbar in Wilhelmsburg. Jedes Jahr im Sommer feiert sich das Dockville Festival hier von Wochenende zu Wochenende. Neben Musik und Kunst gibt es hier ab sofort auch richtig gute Drinks. Und das ist wirklich Special.

Hey Tobi. Was trinke ich hier gerade? Ich habe mich ja überraschen lassen.

Einen sommerlich frischen Pisco Sour.

Super. Ich lag also richtig und Du auch. Ist nämlich seit letztem Jahr mein Liebling.

Nice (grinst). Er war ja auch letztes Jahr richtig groß, aber viele Leute kennen den noch nicht, den südamerikanischen Schnaps.
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Die gehen in die falschen Bars.

Ja, sicherlich auch.

Ihr seid die richtige Bar. Erzähl doch mal etwas zu Konzept und Idee.

Die Grundidee war, konträr zum gängigen Festivalprogramm Bier und Vodka Energy aus Plastikbechern auszuschenken, etwas qualitativ Hochwertiges anzubieten. Das trifft sich hier gut, ist ja nah an Hamburgs City. Es kommen also nicht nur die Festival Besucher Anfang zwanzig, sondern auch die Leute aus Hamburgs Barszene. Den wollten wir etwas bieten. Christian Ruess, dem Personal- und Gastrochef ist es wichtig eine familiäre Atmosphäre mit ´nem geilen Team zu kreieren (…) wir dürfen hier im Container Gläser haben, nicht nur Plastikbecher. Und während des Dockville, wenn andere Bars abgegeben werden müssen, bleibt diese hier unter Chris Leitung, sprich bei hot´n´sticky. Und ich bin Barchef für die „Yes We Can Can“ Cocktail – und Highball Bar. Ursprünglich entstand die Bar in Zusammenarbeit mit dem Golem.

Also sind nicht alle Bars von Euch?

Während des Artville ja, während des Dockville nein.

Und was ist Dein persönlicher Antrieb bei der ganzen Sache?

Ich habe die letzten zwei Jahre schon für Chris gearbeitet und er hat mich gefragt, ob ich dieses Jahr Barchef machen möchte. Hatte ich richtig Bock drauf. Er lässt mir sehr viel Spielraum, ich konnte mir das Team zusammenstellen, mit den Leuten, von denen ich weiß, dass die Gastro Erfahrung haben und da Harmonie herrscht. Ich konnte die Cocktailkarte selber machen, konnte mich frei entfalten. Das geht teilweise auch ein bisschen über meinen bisherigen Horizont hinaus, aber das ist cool. Es macht mir einfach Spaß und ich weiß, dass die Leute hier ´nen guten Drink zu schätzen wissen.

Ich auf jeden Fall. Schmeckt.

Tobi entdeckt ein klitzekleines irgendetwas in meinem Drink und interveniert. „Das war da aber vorher nicht drin, ne?!“ Ich beruhige ihn. „Nein, nein – war es nicht. „Gut.“
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Wenn Du auf Festivals warst, vor der Bar und nicht dahinter, ging es Dir da auch so wie mir, dass Du genau diese Idee vermisst hast und immer auf der Suche nach einem vernünftigen Getränk warst? Ich suche immer zwei Dinge: gute Drinks und vernünftige Sanitäranlagen.

Wir versuchen zumindest gute Drinks bereitzustellen (lacht). Ich kenne es aus eigener Erfahrung. Ich war gerade auf dem Splash mit dem „Kleiner Donner“ Team. Es ist halt, joah – Bier. Es gibt manchmal auch Longdrink Bars, aber die sind qualitativ … (guckt vielsagend). Vor allem die Leute, die da arbeiten … Das sind keine Gastro Leute. Die begrüßen Dich nicht. Du musst auch Service bieten, nur mal so nebenbei. Das ist ganz wichtig. Allerdings war ich vor diesem Sommer auch lange nicht mehr auf Festivals unterwegs.

Wir werden unterbrochen, Tobi wird gebraucht. „Kannst du das bitte machen? Wir machen hier gerade das Interview, Danke.“

Was findest Du eigentlich schlimmer – den miesen Inhalt oder die stillosen Plastikbecher?

Hehe. Definitiv den Inhalt. Wein schenken wir hier auch im Plastikbecher aus. Guter Wein, geht damit völlig klar. Aber wir nehmen die festen Becher, nicht diese Einwegdinger!

Etwas anderes, was man immer wieder auf Festivals sieht: Chaos. Verwirrte Menschen am Zapfhahn, stundenlanges Warten auf das Getränk. Irgendwie ist das Bier auch immer zu früh aus. Was ist da los?

Ähm, ja.

Das ist, als würde ich mich hinter die Bar stellen

.
Daran liegt es auch. Es wird kein wirkliches Barpersonal rekrutiert.

Das ist ja nahezu fahrlässig.

Ja, fatal. Ganz viele denken: „Ach, ich wollte schon immer mal Bar machen, das versuche ich jetzt mal.“ Das ist dann ein 08/15 Studentenjob für diejenigen, deswegen geben sie sich auch keine Mühe. Das wiederum war Chris und mir wichtig – echte Barleute zubekommen. Nicht nur kein Chaos haben, sondern auch Service bieten. Also die Art und Weise, wie Du mit Leuten sprichst.

Verstehe. Und wieso ist das Bier immer alle?

Die Leute trinken heutzutage zuviel (lacht laut).

Oder schlechte Orga?

Bei den anderen Festivals vielleicht schon.

Ihr könnt das also besser.

Genau, das ganze Team arbeitet in Hamburger Clubs, Bars oder in Cafés. Die wissen, wie man einen Tresen aufbaut, die kennen die Laufwege, wissen, wie man ’nen Drink macht. In der Cocktailbar haben wir Leute, die tatsächlich im Cocktailbereich arbeiten, die sind richtig gut. Da nehme ich mich jetzt mal raus. Also, Cocktail- und Highball Bar sind vom Personal her perfekt eingeteilt. Das Konzept muss rund sein, sonst stimmt es hinten und vorne nicht. Ich denke, das ist uns hier wieder gelungen.
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Bei Cocktails denke ich an riesige, aufgetürmte Schirmchengläser…

… und an Tom Cruise! (lacht)

Damals, als er noch smart war. Ich nehme mal an, dass Ihr etwas anderes auffahrt?

Nee, das war so die 80er Jahre Cocktail Szene – cremig, bunt, Miami, Strand. Unsere Drinks sind modern und der Jahreszeit angepasst. Der Pisco Sour, den Du jetzt trinkst, ist aus Traubenschnaps – ob der nun aus Chile oder Peru stammt, da streiten die sich drüber. Außerdem enthalten: süß, sauer und aufgeschäumtes Eiweiss. Alles, was mehr als drei Zutaten hat, ist im Prinzip ein Cocktail. Der Longdrink hat zwei Zutaten, Highballs wie Dark & Stormy drei. Im Sommer haben wir frische Sachen mit Minze. Es gibt also kein „Sex on the Beach“ und kein „Swimming Pool“ (lacht).

Hast Du einen Favoriten zurzeit?

Ja, komischerweise ist diesen Sommer Negroni mein Drink. Ganz klassisch.

Du schwingst ja nun für die Dockville Familie die Gläser. Wie schaut es denn mit den anderen Festivals aus, die Eure Hilfe auch dringend nötig hätten?

Dafür sind die Ressourcen zurzeit nicht da. Das ist jetzt erst mal nur für das Dockville, da hängen wir uns schon mit sehr viel Herzblut und Leidenschaft rein. Lieber ein bisschen kleiner und dafür den Anspruch halten.
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Fotos: Sabrina Rynas