„Blind“ einkaufen gegangen bin ich vorher auch nicht, bin aber in letzter Zeit verstärkt über das Thema Plastikmüll gestolpert. Durch Gespräche mit Freunden und die fortschreitende Vermüllung der Meere, dokumentiert durch den Film A Plastic Ocean, den man sich unbedingt angucken sollte. Daher habe ich ein Experiment gestartet und festgehalten, wie es ist, wenn man beim Einkauf und im Alltag bewusst auf Plastik verzichtet – oder es zumindest versucht.

Die Einkaufsituation

Ein ganz normaler Einkauf im Supermarkt. Eigentlich. Ich gehe heute nämlich per Scanner durch den Laden, prüfe automatisch alles auf Plastik. Und stehe hier und da ratlos vor dem Regal. Und viel länger als sonst. Auf einmal steht man vor Karotten für 79 Cent/kg, Top Angebot – und bremst. Weil sie eingepackt sind. Also erstmal liegen lassen. Etwas später entdecke ich auf dem Wochenmarkt Bio Karotten für 1,99/kg. Oh, deutlicher Unterschied. Ein Beispiel, welches sich x Mal wiederholt. Bei Gemüse, Joghurt, Obst. Warum sind die günstigeren Bananen eingepackt? Frage ich nicht nur mich selbst, sondern auch die Mitarbeiterin bei Rewe. „Damit der Verbraucher sie besser erkennt und von den anderen unterscheiden kann“, so die Erklärung. Aha. Dank Verpackung verzichte ich und bitte drum, dass weiterzugeben. Beim nächsten Besuch sind diese „nur noch“ mit einem Klebeband zusammengehalten. Ich bilde mir ein, dass der Hinweis gefruchtet hat, zumindest ein wenig. Immerhin gibt es keine Plastiktüten mehr und Aldi bietet nun stabile Jutetaschen als Alternative. Gar nicht schwer fällt der Verzicht auf Fertiggerichte und Süßigkeiten, beides ganz weit unten auf dem Speiseplan. Absurderweise lauert hier der erste kleine Fail, wie sich später noch zeigen wird.

PlastikDer Aldi Kauf. Es steht unentschieden.

Wochenmarkt und Erdbeerhäuschen

Wieder auf dem Wochenmarkt. Einmal die Woche schlendere ich drüber und freue mich über frische Produkte vom Umland und die besondere Atmosphäre. Hier ein Schnack, da ein guter Deal, bunte Vielfalt vor Augen. Da Beeren Saison ist, sind die mein Begehr. Ernüchterung macht sich breit. Viele liegen in Plastikschalen, um Lagerung und Feuchtigkeit zu überstehen, wie ich vom Händler erfahre. Er verwendet die aber weiter, man kann sie also zurückgeben, immerhin. Ich kaufe seine Äpfel aus eigener Ernte und bekommme einen Stoffbüddel geschenkt. Ein anderer sagt zu mir: „Wenn Du die Himbeeren isst, wirst Du an mich denken!“ Werde ich, weil sie ohne PLastik auskommen. Aber auch hier, leider nicht alle. Gerade bei Erdbeeren, die wir alle lieben und in der Hochsaion suchten, nervig. Freut man sich doch drauf und stutzt ob der vielen, ohnehin wenig ansehnlichen Schalen. Das sah in der Kindheit irgendwie anders aus. Da tobte man übers Erdbeerfeld mit einem Körbchen in der Hand und sammelte selbst. Romantische Vorstellung, die aber immer noch Realität sein kann. Erdbeerhöfe gibt es nach wie vor, und zwar hier.
Plastik

Ansonsten sind die Erdbeerhäuschen an U-Bahnhöfen zu empfehlen, in Hamburg kennt die jeder. Dort gibt es sie, gefüllte Papierschiffchen vom Hof um die Ecke zu einem fairen Kurs. Ich kaufe außerdem frische Gnocci und Nudeln auf dem Markt – die gibt es lose. Das Brot vom regionalen Bäcker ist in Papier gewickelt, auch kein Problem. Es geht eh nix über knackfrisches Brot, außerdem kann man direkt nach den Inhaltsstoffen fragen.
PlastikGeht doch. Die Erdbeerhäuschen

Unverpacktes eintüten, Hofladen und Fleisch

Toll und noch relativ neu ist Stueckgut, der Laden für unverpacktes Einkaufen in Ottensen, den wir Euch schon vorgestellt haben. Für´s lose Gut nimmt man eigene Behältnisse mit oder bekommt diese vor Ort. Aktuell auf dem Vormarsch ist „Zero Waste“. Das Projekt will eine Markthalle für unverpacktes Einkaufen realisieren und befindet sich gerade in der Crowdfunding Phase. Ein Wochenmarkt mit wechselnden Betreibern, kleinen Höfen und Pop-up Ständen für frische Ideen sollen unter einem Dach zusammenkommen. Der Wechsel ermöglicht niedrige Personalkosten, kleinere Höfe bekommen den Stand gestellt, dazu kommen noch Gastro und Kultur. Ein klarer Gewinn für bewussteres Einkaufen.

PlastikFrisches vom Markt. Die Bio Milch von Söbbeke im Glas gibt es z.B. bei Edeka

Ein besonderes Thema stellt Fleisch dar. Ich mag Fleisch, aber sicherlich keine Massentierhaltung. Nicht für mich und schon gar nicht für das Tier. Tolle Qualität und Service bietet die Schlachterei Beisser. Dort kann man jederzeit ´nen Schnack über Herkunft & Co. halten und auch nachlesen. Ganz neu und unterstützenswert ist Ein Stück Land aus Hamburg. Die Galloway Rinder werden ausschließlich komplett verkauft, die Tiere wachsen auf Weiden auf und bekommen nur „Natur“ zu fressen. Ein guter Freund von uns Hamburgern ist auch der Kattendorfer Hof(laden), der Food Koops mit verschiedenen Läden hat und eigene Tiere beherbergt und Produkte herstellt. So gelangt das ursprüngliche vom Land zum urbanen Leben.

Fotograf: Hinrich Carstensen ; www.hinrichcarstensen.de

Stolpersteine und Fails

Wie immer steckt der Teufel im Detail. Normalerweise lässt mich Süßes also relativ kalt, Massen an Schokoriegeln für 1 Euro im Set, wie kürzlich gesehen, sind mir egal. Klar, dass man ausgerechnet jetzt, während des Experiments schwächelt. Der Grund ist so simpel wie menschlich. Akuter Hungeran- und Gehirnzellenausfall am Rechner. Da war sie – die Snackbox im Büro. Eine Schublade voll Energie. Während ich die gefüllte Waffel aus dem dreifachen Goldpapier wickle, denke ich: Verdammt. Und an die Worte eines Freundes „… drei Tafeln Schokolade, vier Packungen Kekse, braucht man ja alles gar nicht, wenn…“ Richtig. Aber diese eine brauchte ich gerade. Dringend.

Das geht auch in Ordnung. Es geht nicht um das totale Verbot oder Dogmatismus. Der Wunsch etwas zu ändern, ist aber allgegenwärtig, „Back to the Roots“ ein Bedarf. Viele Stadtmenschen betreiben Urban Gardening, beschäftigen sich immer mehr mit Natur, Umwelt und gesunder Ernährung. Wir leben in Hamburg in einer Stadt, die teuer ist. Wir alle leben ein schnelles Leben und haben wenig Zeit. Bewusstes Einkaufen nimmt nicht nur die, sondern oft auch mehr Geld in Anspruch. Manch einer fasst sich bei den (Bio) Preisen an Kopf oder zeigt einem gleich den Vogel. Verständlich. Vielmehr geht es darum, im Rahmen seiner Möglichkeiten zu switchen. Kleine Kniffe, wie den obligatorischen Strohhalm im Drink zu verwehren, zu Produkten im Glas zu greifen, selbst zu kochen und der Austausch miteinander bringen erste Erfolge und dadurch auch Spaß. Und so etwas für sich und die Welt, in der man lebt zu tun. Jetzt. Nicht morgen. Nicht die anderen. Du, ich, wir.
PlastikFail