„Pastors Büx“
In der Wahmstraße Gang 46 in Lübeck versteckt sich das „Lütt Huus„. Der schmale Gang, durch den man hindurch muss, um „Pastors Büx“ zu erreichen ist typisch für die Alstadt. Hinter ihm wartet das Paradies. Hübsche Fachwerkhäuser konkurrieren mit edlen Rosenbüschen. Ines, Vermieterin vom Lütt Huus erzählt mir, was es mit dem ungewöhnlichen Namen auf sich hat. „Der Gang sieht von oben aus wie eine Hose.“ „Und wieso Pastor?“ „Die Aegidien Kirche ist direkt um die Ecke“, lacht sie. Die Fassaden der Fachwerkhäuser sind denkmalgeschützt, die alten Steine wurden zum Wiederaufbau verwendet, lag hier doch nach dem Krieg alles in Schutt und Asche. Nicht alles sind Ferienhäuser, es gibt eine fest bewohnte Nachbarschaft. „Ein Paar hat hier nicht nur Hochzeit gefeiert, sondern sich auch trauen lassen“, lächelt Ines. Schönes Bild. Als sie das „Lütt Huus“ übernahm, erfuhr sie, dass hier ehemals Weber zu Hause waren, Ines war früher selbst in der Textilbranche. „Es gibt keine Zufälle und immer einen Grund, warum man sich begegnet„, ist sie sich sicher.
Kurz darauf begegne ich im Hof Rolf, 78, „Emotionstrainer“. Vertieft in Kamera und Blütenpracht, spricht er mich an, was ich denn da mache? „Ich schreibe über Lübeck und über das Haus, dort wohne ich.“ Er überlegt kurz, nickt wissend und sagt: „Du hast ein scharfes Auge. Und bist ein feinfühliger Mensch.“ Wir kennen uns 10 Sekunden. Er fügt hinzu: „Ich empfange Dinge, frage nicht, weiß es einfach.“ Wir unterhalten uns noch eine Weile, bevor er weiterzieht. Nicht, ohne mir noch etwas mit auf den Weg zugeben. Begegnen tue ich hier noch vielen interessanten Menschen. Besucher schlendern vorbei, ganz ohne hektische Touristenstimmung. Eine ältere Dame lächelt verzückt, als ich gerade meinen Apfel auf der Terrasse genieße. „Ein Paradies ist das hier, nicht wahr?“ „Unbedingt.“ „Ich habe hier als Kind immer gespielt, damals nach dem Krieg. Da war hier alles noch zerfallen. Schön ist es geworden.“
Klein aber fein – das Lütt Huus
Wir sind umringt von bunten Blüten, Rosenbüschen und Vogelgezwitscher. Sämtliche Sinne sind aktiv, wenn man sich darauf konzentriert. Man riecht die Botanik, hört die Tiere, spürt leichten Wind. Von irgendwo schwappt Operngesang herüber, begleitet vom Klavier. Es ist ein heißer Sommertag und in diesem Augenblick nirgendwo schöner.
Das „Lütt Huus“ selbst ist genau das. Auf drei Etagen macht es sich schmal und lang und hat dennoch Platz für 3 Personen. Drapiert Bücher geschickt in Wandregale entlang der Wendeltreppen. Die kleine Küche im Erdgeschoss ist offen, in der Mitte wartet das gemütliche Sofa neben weiter Fensterfront. Unterm Dach mit massiven Holzbalken liegen Gästebad und Schlafzimmer. Sprossenfenster lassen Morgensonne und Frische herein und laden zum ersten Kaffee um 5.37 Uhr auf der Fensterbank ein. Selten erfreut man sich an einer derartigen Weckzeit, hier schon. Und freut sich jetzt schon auf das Abendbrot am kleinen Tisch im Garten, den man von hier oben aussieht.
Flanieren, Food und Filterkaffee
Verlässt man ungern aber doch mal seinen Garten, landet man in der Wahmstraße. Stolpert gleich gegenüber in einen ebenso hübschen, historischen Hinterhof mit Fabrikgebäude, dem Zuhause von Kaffeespezialist „Neue Rösterei„. Idyll hinter Gängen verstecken können die Lübecker wirklich gut. Es ist ein bisschen wie in Alice im Wunderland. Hinter jedem eine Überraschung. Neben frisch aufgebrühtem Kaffee zum Frühstück in allen Variationen, sollte man sich die üppig belegten Stullen mit Avocado & Co. nicht entgehen lassen. Ihr Craft Beer passt später am Tag zu den Live Konzerten, die regelmäßig stattfinden. Lässt sich gut aushalten hier.
Klein Provence
In Frankreich aber auch. Lavendelsträuße, bunte Seifen in Schubladen und Schälchen aufgetürmt, Lotions und antike Wäsche in wunderschönen Produktdesigns überschlagen sich förmlich im kleinen Lädchen „Leinen & Lavendel“ von Bettina. Was zuerst greifen? Woran zuerst riechen? Taumelnd vor so viel Auswahl, beginne ich mit den Emaillebechern, ein persönlicher Tick, schwenke rüber zu den Seifenschalen, dann zum klassischen Waschstück, bevor ich beschließe, den Laden auf keinen Fall ohne die bunten Handcremetuben zu verlassen. Die braucht man nun wirklich immer und eignen sich außerdem, wie fast alles hier als schönes Mitbringsel.
Schokoladenglück
Auf in die Hüxstraße, der schönsten Ecke zum Bummeln und sich treiben lassen. Und auf zum Pralinen- und Röstmeister Kaffeehaus Lübeck. Über zwei Stockwerke erstrecken sich Kaffeesäcke, selbst gemachte Marmeladen, Kuchen und Schokolade. Geröstet wird nicht nur selbst, sondern auch in Form von Barista Kursen gelehrt. Im Sommer sind die Luken zur Straße hin offen, im Winter macht man es sich „beim Häkeln und Uno spielen gemütlich und frühstückt stundenlang“, so Geschäftsführer Holger. Gute Zutaten, nachhaltig und regional, sind die Partner der vom Feinschmecker ausgezeichneten Rösterei. Vom Demeterbrot bis hin zu Aufschnitt der „Vorwerker Diakonie“ mit eigener Schlachterei. Mir tut der „Affogato„, ein doppelter Espresso auf Madagaskar-Vanille Eis in der flirrenden Hitze gut, den will ich auch für Zuhause und ziehe mit zwei Sorten Kaffee im Gepäck von dannen.
Schatz Café und Schatzkammer
Für das Frühstück am Samstag besuche ich das Schatz Café, lediglich einen kleinen Spaziergang stadtauswärts entfernt. Ein Ort aus einer anderen Zeit. Antike Möbel, soweit das Auge reicht. Eingebettet auf einem Hinterhof liegen Café und Schatzkammer, Antiquitäten Stätte mit Fundstücken unterm Dach hängend. Fahrräder, Kommoden, gestapeltes Holz. Unterm eisernen Pavillon, der an eine Voliere erinnert, genießt man den Ausblick zu Rührei, Guacamole und Lachs auf Brot. Die Hofkatze schnurrt auf dem Dach des Strandkorbs über einem, von drinnen hallen Gelächter und Jazz heraus. „Mein Mann kümmert sich um die Schatzkammer, ich tischlere, erzählt Inhaberin Imke. „Das Café war ursprünglich eine Werkstatt, in der es für die Trödelbesucher immer eine Tasse Kaffee gab, später auch Kuchen und irgendwann stand fest, Freitag bis Samstag wird ein Café draus.“ Möglichst regionales aber einfaches Essen wird aufgetischt, mal Veganes, im Sommer kalte Gurkensuppe. Und immer der New York Cheese Cake, hausgemacht. Mit diesem versinke ich im Strandkorb, seufze tief und zufrieden.
Seele baumeln lassen
Sonntag. Ich erkunde die Umgebung außerhalb der Altstadt. Der Lübecker Schulgarten liegt „An der Falkenwiese“ und wird von Schülern betrieben. Hier pflanzen sie Kräuterbeete und Blumen, man selbst spaziert hindurch. Und kann sich auf einer Bank mit einem Buch niederlassen, welches in einer weißen Holzhütte zum Mitnehmen bereitliegt. Das tue ich ein Stündchen lang, bevor ich mich aufs Fahrrad schwinge. Gleich um die Ecke liegt der Drägerweg, eine Radroute am Wasser entlang. Es geht auf schmalen Sandwegen hindurch durchs dichte Grün mit kleinen Badestellen am Ufer. Paddler und Tretbootfahrer begleiten mich, einige steuern das Naturbad „Kleiner Badesee“ an. Tatsächlich führt einen dieser Weg ans schönste Naturbad überhaupt, an den Ratzeburger See. Knappe 20 Kilometer entfernt, die jeden Einzelnen wert sind. Kaltes, klares Wasser umzingelt von Wald und Natur, soweit das Auge reicht.
Lübeck Hauptbahnhof, kurz vor Abreise. Die Sonnenbrille immer noch im Gesicht, ich bin in Gedanken. Eine Stimme reißt mich raus. „Entschuldigung, immer wenn ich Leute sehe, die mir sympathisch sind, drücke ich ihnen meine Karte in die Hand und sage: „Bevor Du Dir Deine nächste Brille kaufst, bitte google das.“ Ich schaue auf die Visitenkarte in meiner Hand. „Und steck´ Dir bitte noch das kleine Kompliment mit ein, ja?“, lächelt er mich an und ist wieder weg. Begegnungen. Lübeck. ❤️
Fakten
Lütt Huus
Wahmstraße Durchgang 46, Nr. 9
23552 Lübeck
Leinen & Lavendel
Wahmstraße 87
23552 Lübeck
Neue Rösterei
Wahmstraße 43-45
23552 Lübeck
Kaffeehaus Lübeck
Hüxstraße 35
23552 Lübeck
Schatz Café & Schatzkammer
Wakenitzstraße 12
23564 Lübeck
Lübecker Schulgarten
An der Falkenwiese / Ecke Wakenitzufer
23564 Lübeck