Stevan Paul InterviewStevan und sein aktuelles Werk „Blaue Stunde“

Moin Stevan Paul. Für alle, die es noch nicht wissen. Wer bist Du und was machst Du?

Ich bin Stevan, ich bin gelernter Koch, ich bin Foodjournalist und (Kochbuch) Autor. Alles was ich tue, hat mit Essen zu tun, weil ich glaube, dass man damit auf viele Arten etwas übers Leben erzählen kann.

Eine Frage die alle bewegt: wie wird Dein Name ausgesprochen?

Tatsächlich ganz normal, „Stefan“. Aber selbst die Süddeutsche Zeitung hat es letzte Woche verbaselt. Da war eine Restaurantkritik von Steven Paul, englisch ausgesprochen. Ich bin diesbezüglich Kummer gewohnt und entspannt.

Warum Hamburg und nicht…?

Ich bin beruflich hier gelandet. Ein Koch hatte mir erzählt, dass man bei „Essen + Trinken“ ein Praktikum machen kann, nach 2 Wochen wurde ich gefragt, ob ich mich bewerben will. Ich war also fünf Jahre in der Versuchsküche von „Essen + Trinken“ und mir war klar, ich gehe hier nicht mehr weg. Ich begreife Hamburg nach über 20 Jahren als meine Heimatstadt.

Was passierte in der Versuchsküche?

Kochen. Ich war Versuchskoch mit Redakteur Vertrag und wollte aber immer auch schreiben. Die haben mich aber nicht gelassen, obwohl ich sehr viel unterwegs war und jede Menge zu erzählen hatte. Die Oldies waren alle müde, die Jugend wurde rumgeschickt, damals war noch Geld in den Kassen. Ich hab die ganze Welt gesehen! Aber geschrieben habe ich nicht eine Zeile, das war nicht geduldet, der Koch hat bei seinem Löffel zu bleiben. Das war die erste Garde – ich darf das heute sagen, die Damen sind alle längst in Pension – Print Food Adel, die hatten das quasi erfunden. Das hat mich unglücklich gemacht und war der Grund, warum ich 2000 gesagt habe: „Ohne mich.“

Es musste raus.

Genau. Als ich nach Hamburg kam, habe ich sofort mit Poetry Slam angefangen. Dort habe ich mich im Texten ausprobiert, Publikum und Reaktionen kennengelernt. Meine Reihe „Kaffeesatzlesen“ war viele Jahre eine der erfolgreichsten Lesereihen Hamburgs. Immer am letzten Sonntag im Monat, in einer stillgelegten Fabrik in Hasselbrook, der Claim: „Zum Tatort sind Sie wieder Zuhause“. Wir wussten, der deutsche Sonntag muss unangetastet bleiben.

Fit halten, gut ernähren – für mich ein großes Thema. Auch deswegen schreibe ich Kochbücher. Freude am Kochen vermitteln und zeigen, wie einfach das ist – das will ich.

Später hast Du Open Airs bevorzugt

Meine Mutter fragte neulich: „Gehst Du immer noch auf Festivals?“ Ja und genau deshalb ist das Kochbuch „Open Air“ entstanden, weil ich seit Jahrzehnten Festivals besuche und einen großen Schatz an Erfahrungen gesammelt habe, wie man sich vor Ort anständig ernährt. Einmal einen ganzen Sommer im Bulli unterwegs sein, ein Traum. In Roskilde gestartet, quer durch Europa. Fünf Länder, sechs Festivals. Es war der Sommer meines Lebens.

Isst Du in weniger guten Zeiten Milchreis? Du sagst ihm eine tröstende Wirkung nach.

Wenn ich traurig bin, ist es nicht zwingend warmer Milchreis. Aber etwas Seelenwärmendes. Da mag ich die deutsche Küche sehr, ich halte sie für die unterschätzteste Küche überhaupt.

Wie gerufen kommt das Hühnerfrikassee, ein deutscher Klassiker im Bereich Trost. Das gibt es im Koch Kontor Hamburg, der frisch gekochte Mittagstisch stammt aus den Kochbüchern, die man hier kaufen kann.
Stevan Paul Interview

Was ist schlechtes Essen für Dich?

Ich bin ein gütiger Tester, aber wo mir das Messer in der Sacktasche aufgeht (Schwäbisch für „Reißt mir die Hutschnur“) ist, wenn ich Lieblosigkeit spüre. Dann sage ich etwas. Aber nie vor Ort, im laufenden Betrieb bringt das nichts. Das ist auch mein Verständnis für meinen Beruf als Restaurantkritiker. Es geht nicht um meinen persönlichen Geschmack. Es geht darum, den Menschen zu erzählen, was in dem Restaurant passiert und im besten Fall nach der Kritik sagen: „Ja, da will ich hin.“ Ich mache sowohl die Fischbude als auch The Table. Beide müssen erklärt und transportiert werden.

Du hast allerdings ein Problem mit Rotkohl nach Alfons Schuhbeck

Ich finde die Person Schuhbeck streitbar. Sein Rezept ist völlig in Ordnung. Das war ein kleiner Seitenhieb und einfach ein guter Aufhänger, um meinen Rotkohl zu Weihnachten unter die Leute zubringen.

Wann findest Du eigentlich noch Zeit einen Roman zu schreiben?

Wenn Zeit übrig ist. Ich arbeite unglaublich gern, habe einen schönen Job, also was soll’s. Aber mein Roman „Glander“ hat schon sehr lange gedauert, fast drei Jahre. Ich hatte ein Stipendium in St. Moritz, habe einen Monat im Hotel gelebt und geschrieben, wie nie zuvor. (Bilder von „Shining“ erscheinen vor unserem geistigen Auge) Als ich nach Hause gefahren bin, hatte ich einen Anfang. Erst ein Jahr später kam ich dazu, wieder reinzugucken und dachte: „Wer hat das geschrieben? Gar nicht so blöd, kann man drauf aufbauen.“ Finalisiert habe ich es erst im dritten Winter. Der Verlag ist fast durchgedreht. Meine Frau auch, weil ich zwischendurch bereits am Japan Buch gebastelt habe.

Fit halten, gut ernähren – für mich ein großes Thema. Auch deswegen schreibe ich Kochbücher. Freude am Kochen vermitteln und zeigen, wie einfach das ist – das will ich.

Was ist Dein Sternzeichen?

Fische.

Wo gehst Du gerne essen und warum ausgerechnet da?

Es gibt einen Ort in Hamburg, da esse ich seit 20 Jahren. Ist immer gut und wie nach Hause kommen. Das ist das Nil.

Du machst die besten … ?

Glaube, meine Frikadellen sind ganz lecker.

Bier oder Whiskey?

Bier. Aber eigentlich Wein.

Fleisch oder Gemüse?

Fleisch.

Irgendwann ist auch mal gut. Wie und wo fährst Du in Hamburg runter?

Joggen ist sensationell. Dabei entwickle ich Ideen, bin ich ganz bei mir. Ich habe gelesen, dass beim Laufen eine Gehirnhälfte zurücktritt. Die Rationale ist damit beschäftigt zu sagen, linker Fuß, rechter Fuß, die andere hat freies Spiel.

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